Der Weg ist das Ziel - Etappe 3

Mittelalterlicher Jakobsweg Brandenburg - Von Berlin nach Wilsnack

"Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen." (Johann Wolfgang von Goethe)


Die Nikolaikirche von Bötzow
Etappe 3: Von Bötzow nach Flatow (19 km)

Startpunkt der dritten Etappe ist die Nikolaikirche in Bötzow. Der Ort wurde um 1200 gegründet und erstmals 1355 urkundlich unter dem Namen "Cotzebant" erwähnt. Diesen Namen behielt das Dorf bis 1694 und übernahm dann den Namen Bötzow vom 30 Kilometer nördlich gelegenen heutigen Oranienburg. Denn Oranienburg hieß ursprünglich Bötzow und wurde erst später nach dem dort im Jahre 1652 errichteten Schloss im holländischen Stil umbenannt. Nachdem der Name vakant war, wurde aus Cotzebant das heutige Bötzow.

Die Nikolaikirche ist ein spätgotischer Feldsteinbau aus dem 15. Jahrhundert. Der mächtigen Westturm hat einen Dachstuhl aus dem Jahr 1429. Der Berliner Orgelbauer Joachim Wagner erbaute im Jahr 1743 die schöne Kirchenorgel, deren Klangschönheit die Gottesdienstbesucher noch heute beeindruckt.

Von der Kirche geht es Richtung Westen bis zum Ende der Dorfaue. Dort geht man nach rechts, dann nach 100 m links und wieder ca. 600 m auf der Landstraße nach Westen geradeaus, um letztendlich beim Schild „Alte Hamburger Poststraße“ rechts in den anfangs mit Betonsteinen gepflasterten Fahrweg einzubiegen.

Hier zweigt die Alte Poststraße als Allee in Richtung Waldrand (1,2 km) von der Hauptstraße ab. Auf dem Weg durch das Bötzower Bauernfeld erreicht man die Grundmoränenplatte des Glien. "Glien" kommt aus dem Slawischen ("Glinny kraj") und bedeutet "lehmiges Land", womit die Bodenbeschaffenheit dieser Gegend recht treffend beschrieben ist. Die Bezeichnung wurde mit der Zeit auf den gesamten Nordosten des Havellandes ausgedehnt, der ab 1770 unter dem Landrat von Redern-Wansdorf gemeinsam mit dem Land Löwenberg sogar einen eigenen Kreis bildete.


Am Wegesrand schwirren unzählige Libellen. Dazu gehörigen so schöne und große Arten, wie die Blutrote Heidelibelle (Sympetrum sanguineum) und die Große Heidelibelle (Sympetrum striolatum). Wie ein Hubschrauber stehen sie in der Luft oder sonnen sich in Mittagshitze. Den Libelle wird nachgesagt, dass sie beißen und stechen. Beides trifft nicht zu. Deswegen muss man sich nicht fürchten, wenn man diese grazilen Insekten beobachtet.

Große Heidelibellen (Sympetrum sanguineum)

Nach dem knapp 1 Kilometer langen Feldweg führt der nun 12 Kilometer lange Weg auf der alten Hamburger Poststraße durch einen einsamen Forst. Die alte Straße wird hier anfangs durch mächtige Eichen aus der Postkutschenzeit begleitet und ist touristisch noch völlig unerschlossen. Es sehr wahrscheinlich, dass man stundenlang keinen anderen Menschen begegnet.


Von 1650 an war Cotzebant/Bötzow die Hauptpoststation für das Land Glien an der Poststraße Berlin - Hamburg.

Die Alte Poststraße von Berlin bis Hamburg ist insgesamt 38 Meilen lang und verläuft 23 Meilen auf preußischem Gebiet. Auf dem gesamten Verlauf wurden unter der Verantwortung der preußischen Postverwaltung 1803/1804 preußische Postmeilensteine errichtet, eingeteilt in Ganz-, Halb- und Viertelmeilensteine. Sie zeigten Postillionen und Reisenden auf der Poststraße die Entfernung von einer Meile an (1 preußische Meile = 7,532485 km). Danach wurden von der Post die Gebühren für die Post- und Personenbeförderung berechnet.


Heute sind auf diesem Abschnitt neun Ganz-, fünf Halb- und fünf Viertelmeilensteine bekannt, die als Gesamtobjekt oder Reststücke erhalten geblieben sind. Im heutigen Stadtgebiet von Berlin existiert noch der Ganzmeilenstein Tegel, welcher aber nicht mehr am Originalstandort steht. Der Ganzmeilenstein mit der Position „4 Meilen bis Berlin“ im Krämer Wald ist sehr gut erhalten. Er wurde 2004 restauriert und am Originalstandort wieder aufgebaut. Er ist einer der besterhaltenen Meilensteine dieser Generation.

Viertelmeilenstein Halbmeilenstein Ganzmeilenstein


Es geht weiter durch den Krämer, ein Waldgebiet, das den südwestlichen Teil des Ländchen Glien bedeckt und der Legende nach seinen Namen nach einem Riesen hat.

Vor vielen, vielen Jahren gab es, dass weiss doch jedes Kind, Riesen. Ein Paar lebte auf dem Glin. Er hieß Krämer und sie die lange Briese. Eine Höhle hatten sie nicht, in der sie hätten wohnen können. Ihr Bett stand zwischen Vehlefanz, Eichstädt und Neu-Vehlefanz. Es war warm und weich, und die Riesenbäume, die damals hundertmal größer waren als heute, hielten jeden Regentropfen von ihrem Lager ab. Das Riesenehepaar ernährte sich von vielen Wild des Waldes. Sie aßen es nicht roh, - nein, sie waren schon kultiviert! Ihre Küche stand bei Pausin. Dort hatte man einst den Herd gefunden. Jetzt ist aber davon nichts mehr zu sehen! Die vielen Hügel des Vehlefanz entstanden durch die Kinder des Paares, die den Sand in ihren Schürzen umhertrugen und ihn dann irgendwo fallenließen. Die Riesen lebten glücklich und zufrieden, bis eines Tages Wesen in der Gegend auftauchten, die ebenso aussahen wie sie, aber viel kleiner. Als diese Winzlinge begannen, Bäume zu fällen und damit Häuser und Kirchen bauten, wurde der Riese Krämer sehr wütend. Er ergriff einen mächtigen Stein und warf ihn nach der eben errichteten Kirche von Eichstädt. In dem glitschigen Gelände aber rutschte er aus, und der Stein fiel auf Wendemarker Gebiet nieder. Später ließ der Amtmann Schultz von Bärenklau den Stein sprengen, der so groß war, dass man mit zwei Pferden herumfahren konnte. Da, wo der Riese Krämer sich fest gegen den Boden gestemmt hatte, entstanden Eindrücke, die heute noch zu sehen sind. Die eine Riesentrappe ist in Neu-Vehlefanz gleich hinter der Scheune, die andere Trappe bei der alten Ziegelei in Vehlefanz... Wo das Paar hingezogen ist, weiß keiner. Nur ihre Namen sind geblieben: Krämer und Brieselang!

An einem Unterstand – Picknickplatz – biegt ein Weg zum 1,3 km entfernten "Waldhaus zur Saubucht" ab, einem Ausflugslokal mit Gaststätte und Übernachtungsmöglichkeit, das bis Linum die einzige Einkehrmöglichkeit darstellt.

Wir folgen dem Weg der Poststraße, der hier von Kiefern und Birken geprägt wird. Die Gestelle zur Rechten führen über den einstigen Schießplatz, von dessen Nutzung zerfallene Gebäude und bloßgelegte Dünen Zeugnis ablegen. Der Weg ist gut befestigt und verläuft recht geradlinig durch den Forst. Er führt am ehemaligen Ziegenkrug vorbei, einer Waldlichtung mit Rastplatz, und biegt dann nach weiteren 3,9 km Waldwanderung nach rechts zur Försterei am Krämerpfuhl ab.

Ziegenkrug Wegweiser Zwischen Ziegenkrug und Försterei

Wir gehen weiter geradeaus auf der Alten Hamburger Poststraße, überqueren nach 200 m die Hauptstraße Perwenitz-Vehlefanz (L161) und gehen geradeaus weiter.


Nach ca. einem Kilometer erreichen wir die Autobahn A10 und biegen nach rechts ab und folgen ihr wenige hundert Meter. Dann führt ein Weg wieder in den Wald hinein.


Hier ganz in der Nähe steht die legendäre Reckins Eiche, an der vor 180 Jahren der alte Förster Reckin aufgeknüpft wurde. Die Volksage entstand zur Franzosenzeit gegen Ende des Jahres 1806, als französische Truppen plündernd und brandschatzend auf ihrem Weg nach Polen und Ostpreußen auch durch den Krämerforst kamen. Einige Bauern leisteten Widerstand und überfielen und töteten die verhaßten Feinde. So auch der alte Reckin, der im Forsthaus Krämerpfuhl lebte.

Versteckt in einer hohlen Eiche lauerte er hier einzelnen oder in kleinen Trupps marschierenden Franzosen auf, und erschoss sie, sobald sie die Eiche passiert hatten. Entkam einmal ein Franzose, so wusste er nie zu sagen, wer geschossen hatte. Lange Zeit trieb der Förster sein Wesen und mancher Franzose mußte sein Leben lassen, doch eines Tages, als er gerade wieder einen Franzosen erschoß, sahen andere französische Soldaten, die ihrem Kameraden gefolgt waren, den Pulverdampf aus dem hohlen Stamm der Eiche aufsteigen. Sie fanden Reckin und erschossen ihn. Einwohner der umliegenden Dörfer begruben den Förster etwa 300 Schritte von der Eiche entfernt. Heute bedeckt ein Findling mit der Aufschrift "Reckin" diese Stelle. Es ist üblich, dass ein jeder, der an dieser Grabstelle vorbei kommt, einen kleinen Zweig auf das Grab niederlegt.

Die ursprüngliche Eiche im Zuge der Baumaßnahmen für die Autobahn freigesetzt und bei einem späteren Sturm umgerissen. Naturfreunde haben eine neue Eiche gepflanzt und ein Findling weist auf den Baum hin.



Dort folgt man dem Asphaltweg ca. 1,6 Kilometer geradeaus, der bald in einen Waldweg übergeht bis zu einer Wegkreuzung. Achten Sie auf die Wegmarkierung mit den drei Punkten auf der Birke. Hier befindet sich übrigens auch ein weiterer Unterstand. Will man den Weg nicht nach rechts in Richtung Flatow einschlagen, empfiehlt es sich, nach Grünefeld (geradeaus; 3,3 km) oder Börnicke (nach 300 Metern schrägrechts und dann geradeaus) zu wandern. Hier kann der Bus 659 erreicht werden, der zwischen Nauen und Hennigsdorf verkehrt.


Dort folgt man dem Asphaltweg ca. 1,6 Kilometer geradeaus, der bald in einen Waldweg übergeht bis zu einer Wegkreuzung. Achten Sie auf die Wegmarkierung mit den drei Punkten auf der Birke. Hier befindet sich übrigens auch ein weiterer Unterstand. Will man den Weg nicht nach rechts in Richtung Flatow einschlagen, empfiehlt es sich, nach Grünefeld (geradeaus; 3,3 km) oder Börnicke (nach 300 Metern schrägrechts und dann geradeaus) zu wandern. Hier kann der Bus 659 erreicht werden, der zwischen Nauen und Hennigsdorf verkehrt.


Da unser Etappenziel Flatow ist, biegen wir nach rechts ein und laufen ein kurzes Stück bis zur L273 und überqueren auf dieser die Autobahn A24 nach Hamburg. Ca. 100 m nach der nördlichen Autobahnanbindung, direkt am Fuße der Brücke, gehen Sie scharf nach links zurück und dann Richtung Westen parallel zur Autobahn Richtung Hamburg auf einem alten Feldweg, zuletzt über eine stillgelegte Bahnlinie nach Flatow.


Fotos: Steven Blum und Roger Blum

Quellen:
Rainer und Cornela Oefelein: OutdoorHandbuch Band 189 - Brandenburg: Mittelalterlicher Jakobsweg. Conrad Stein Verlag GmbH. 3.Auflage 2011
Wandern auf der Alten Hamburger Poststraße. Im Internet unter http://www.kraemer-forst.de
Christian Gering. Reckins Eiche und Grab. Im Internet unter http://www.gruenefeld-im-havelland.de
Olaf Grell und Rolf Zimmermann. Preußische Poststraßen und preußische Postmeilensteine in Brandenburg





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